Zwischen Digitalisierung und Achtsamkeit

Gute Kommunikation braucht Zeit, weiß Monika Schaller, Gründungsmitglied von Global Women in PR Deutschland. Wer wirksame Akzente setzen will, muss auch mal innehalten und das große Ganze in den Blick nehmen.


Nur 75 Sekunden. Also keine zwei Minuten. So lange hat es gedauert,
 bis auf den ersten LinkedIn-Beitrag von Post-DHL-CEO Frank Appel im August die ersten Likes und Kommentare eingingen. Innerhalb weniger Minuten entspann sich eine lebhafte Diskussion, warum wir mehr Optimismus wagen sollten.

Die Digitalisierung ist ein Segen für die Kommunikation. Wo früher das berühmte „schwarze Loch“ war, bekommen wir heute unmittelbar Rückmeldung. Nie war es einfacher, Menschen direkt und individuell mit relevanten Inhalten zu erreichen. Zugleich ist die Digitalisierung ein Fluch. Die Schlagzahl hat sich deutlich erhöht, die Reizüberflutung ist allgegenwärtig. Nicht mehr jeden Tag, sondern jede Stunde – ja, fast schon jede Minute – wird in sozialen Medien eine andere sprichwörtliche Sau durchs Dorf getrieben.

Das führt in der Kommunikation zu einem Dilemma. Einerseits wollen wir die sich bietenden Chancen nutzen und müssen Angriffe sofort erkennen und parieren. Wir sind gezwungen, das Geschehen rund um die Uhr zu bewerten und – wenn nötig – ad hoc zu reagieren. Das darf uns andererseits aber nicht davon abhalten, zugleich die großen Linien und die langfristig relevanten Themen im Blick zu behalten.

Ein Schlüssel dazu liegt in der Achtsamkeit, also in einem Moment des Innehaltens. Die bewusste Wahrnehmung des „Hier und Jetzt“ erlaubt es uns, die gesamte Breite des Handlungsraums zu erkennen und uns gezielt für eine Option zu entscheiden. Ein bewusst gesetzter Akzent kann so viel wertvoller sein als 1.000 vermeintliche „quick wins“.

Mit diesem Ansatz hat die Kommunikation von Deutsche Post DHL Group gute Erfahrungen gemacht. Mit dem DHL „Global Trade Barometer“ haben wir beispielsweise einen weltweit beachteten Frühindikator für die Entwicklung des Welthandels geschaffen. Dieses digitale Thought-Leadership-Tool basiert auf der Auswertung großer Mengen von Logistikdaten mithilfe künstlicher Intelligenz und wird viermal im Jahr veröffentlicht.

Die Entwicklung war aufwendig und die konzerninternen Abstimmungsprozesse mitunter komplex. In derselben Zeit hätten wir vermutlich viele „quick wins“ realisieren können. Doch der lange Atem hat sich gelohnt: Knapp zwei Jahre nach dem Start ist das Global Trade Barometer heute ein robustes und glaubwürdiges Instrument mit großem Nutzen für unsere Stakeholder und uns selbst. Für mich ein überzeugender Beweis, dass gute Kommunikation auch in Zeiten der Digitalisierung bisweilen eins braucht: Zeit.

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